Was ist Fanfiction?
Fanfiction bedeutet, Geschichten anderer Autoren als Grundlage für eigene zu nehmen. Dazu wird die Handlung abgewandelt oder fortgeführt; es können aber auch nur Figuren, Welten oder Schauplätze übernommen werden. Eine andere Art von Fanfiction besteht darin, dass Geschichten über echte Personen erfunden werden.
Es ist also Fanfiction, wenn du eine Story sehr magst und eine eigene daraus machst. Du denkst dir vielleicht aus, dass zwei Figuren heiraten, obwohl sie das in der ursprünglichen Geschichte nicht tun. Du erfindest neue Figuren hinzu. Du versetzt die Geschichte in eine andere Zeit. Lässt die Figuren reisen. Oder du bist begeistert von dem Ort, an dem eine Erzählung spielt, und deine Geschichte findet daher auch dort statt. Ein Krimi, in dem ein Kommissar in Venedig einen Mörder sucht, wäre zwangsläufig wohl auch Fanfiction. Denn ohne Donna Leon und ihren Brunetti lässt sich das kaum vorstellen.
Fanfiction, die sich um wirkliche Menschen dreht, hat oft Sportler oder Musiker als Hauptfiguren. Diese Stars möchten ihre Familien meist schützen. Daher erzählen sie in Interviews wenig über sie. Aber große Fans wollen an ihrem Leben teilhaben. Vielleicht sogar selbst eine Rolle darin spielen. Also schreiben sie Fanfiction über diesen Star.
Auf welchen Wegen lässt sich Fanfiction veröffentlichen?
Oft veröffentlichen Autoren ihre Fanfiction im Internet. Dort gibt es spezialisierte Portale und allgemeinere Seiten, auf denen man seine Story in der Rubrik „Fanfiction“ einstellen kann. Weil viele, die sich für Fanfiction interessieren, solche Seiten besuchen, findet man leicht Leser. Aber häufig bringen Autoren von Fanfiction ihre Geschichten ebenso in eigenen Büchern heraus.
Welche Portale für Fanfiction gibt es?
Es gibt viele Portale speziell für Fanfiction. Zu den beliebtesten zählen Wattpad, FanFiction.Net, FanFiktion.de. Am meisten findet man dort Harry-Potter-Fanfiction. Weitere Fanfiction-Portale sind Archive of our own und Animexx. Aber auch auf allgemeineren Plattformen wie Tumblr und Reddit gibt es große Bereiche für Fanfiction.
Ist es erlaubt, Fanfiction zu veröffentlichen?
Fanfiction findet sich also auf vielen Internetseiten, aber auch in Büchern – häufig im Self-Publishing. Dann scheint das ja legal zu sein. Oder etwa nicht? Hierzu gibt es verschiedene Meinungen und manche sehen das locker. Entscheidend ist aber die juristische Auslegung der Gesetze.
Es ist in vielen Fällen nicht legal, Fanfiction zu veröffentlichen. Die Autoren haben das Urheberrecht an ihren Schöpfungen: an Figuren, Welten, Plots, erfundenen Orten. Nur wer sich sehr weit vom Original entfernt und etwas ganz Eigenes erschafft, darf von anderen Erfundenes verwenden – vielleicht, denn es kommt auf den Einzelfall an. Allerdings dulden die Rechteinhaber Fanfiction häufig. Schauen wir uns das genauer an.
Die rechtliche Seite – was bedeutet das Urheberrecht für Fanfiction?
Wenn du eine Geschichte schreibst und veröffentlichst, hast du darauf ein Copyright. In Deutschland ist das im Urheberrechtsgesetz geregelt. In anderen Ländern gibt es natürlich Ähnliches. Als Autor kannst du die Rechte (teils) auch abtreten. Meist an Verlage, das steht dann im Impressum.
Was heißt das jetzt genau, Urheberrecht? Stell dir vor, du baust dir einen Pizzaofen in den Garten. Wenn nachts jemand kommt, ihn auseinandernimmt und die Teile wegbringt, ist das ein Dieb. So ist das bei Geschichten auch. Welche Teile das sind, ist ganz egal. Das nennt man Fabelschutz.
Niemand darf erkennbar den Polizisten in sein eigenes Buch übernehmen, der bei dir Verbrecher jagt. Es gibt zum Beispiel ein Urteil, dass keiner ohne Erlaubnis eine Geschichte über Pippi Langstrumpf zu veröffentlichen hat. Niemand darf auch einfach so eine eigene Story schreiben, die auf dem Planeten spielt, den du erfunden hast. Niemand darf deine Geschichte weitererzählen. All das ist aber der Sinn von Fanfiction. Insofern ist Fanfiction grundsätzlich – sagen wir es mal knallhart – illegal.
Die „freie Benutzung“ von Geschütztem
Aber es gibt Ausnahmen. Zwar bringt es nichts, Tricks zu versuchen. Wenn deine Heldin Bubbu Lungstrampf heißt, aber mit einem Pferd zusammenlebt und auch sonst wie Pippi ist, hilft dir das nicht weiter. Dein Ziel müsste es sein, eine sogenannte freie Benutzung zu erreichen. Du erfindest zum Beispiel einen Helden, der Paul Pipapo heißt. Er lebt auch mit einem Pferd in einem Haus, hat aber sonst keine Ähnlichkeiten mit Pippi. Kein Problem, das darfst du drucken lassen. Bloß: Ist das dann noch Fanfiction?
Ein Problem dabei ist auch, dass die Maßstäbe für diese „freie Benutzung“ recht streng sind. Du müsstest eine bestimmte „Schöpfungshöhe“ erreichen. Also etwas ganz Eigenes schaffen. Ob du mit deiner ähnlichen Geschichte gerade noch durchkommst oder schon nicht mehr, entscheidet am Ende ein Gericht. Das willst du sicher nicht, denn das wird so oder so teuer.
Außerdem kann es nicht nur zivilrechtlich verfolgt werden, wenn du gegen das Urheberrecht verstößt. Sondern es ist auch eine Straftat. Allerdings wird der Staatsanwalt meist erst auf Antrag des Rechteinhabers aktiv. Der wird aber, wenn überhaupt, oft das Zivilrecht bevorzugen, weil er damit mehr Geld herausschlagen kann.
Autoren von Fanfiction haben übrigens auch wieder Rechte an ihrem Werk. Ein anderer darf solche Texte also auch nicht unbedingt einfach weiterschreiben.
Die praktische Seite
Musst du deine Fanfiction-Geschichte nun also in einem traurigen Moment deiner Schriftstellerkarriere zerknüllen und in deinen Pizzaofen werfen? Dich mit einer knusprigen Quattro Formaggi trösten? Nicht unbedingt.
Allein schon im Internet findet man Fanfiction auf vielen Seiten. Scheint kaum einen der Rechteinhaber zu stören, sonst würde das ja vom Netz genommen. Und so ist es auch. In der Praxis werden Verstöße gegen das Urheberrecht im Zusammenhang mit Fanfiction kaum verfolgt.
Autoren und Verlage sehen Fanfiction oftmals als Werbung, Schriftsteller sind häufig auch geschmeichelt. Das kann sich aber leicht ändern, wenn jemand versucht, mit Fanfiction Geld zu verdienen. Du solltest mit deiner Geschichte also besser nicht zu erfolgreich werden. Wenn du nur von geringen Einnahmen ausgehst, könntest du auch ins Impressum setzen, dass du deine Einnahmen spendest.
Am besten ist es aber, wenn du den Autor oder den Verlag einfach um Erlaubnis fragst. Fragen kostet nichts. Und es passiert nicht so selten, dass Autoren solche Bitten hören – und erhören. Schreib also einfach eine kurze E-Mail.
Manchmal rufen Autoren sogar zu Fanfiction auf. Zum Beispiel in Wettbewerben. Dann gibt es keine rechtlichen Probleme, solange du dich an die Vorgaben hältst. Wenn sie sich ganz grundsätzlich mit Fanfiction einverstanden erklären, ist das eine Art Freibrief für dich. Aber das Urheberrecht bleibt trotzdem bestehen. Also Vorsicht.
Ist Fanfiction über Stars erlaubt?
Wenn du nun aber Fanfiction über einen echten Menschen schreibst, sind seine Persönlichkeitsrechte berührt. Die stehen sogar im Grundgesetz, ganz vorne in Artikel 2. Das ist vor allem wichtig, wenn du über einen Star etwas Schlechtes erfindest. Vergewaltigung, Mord, sowas. Mögen die nicht so. Und dann fordert dich ihr Management dazu auf, das zu unterlassen. Das kostet schon richtig Geld. Selbst wenn du am Ende vielleicht sogar Recht bekommen solltest. Denn einen Anwalt wirst du dir nehmen müssen.
Aber auch die Freiheit der Kunst ist geschützt. Es darf jedoch keinen Zweifel geben, dass deine Story erfunden ist. Du solltest es also vermeiden, zu wirklichkeitsnah zu schreiben. Deine Leser sollen nicht glauben können, du hättest tatsächlich beobachtet, was du schreibst. Udo Lindenberg fliegt auf den Planeten Alpha Psi und bedröhnt sich dort mit Sternenstaub? Sollte kein Problem sein. Justin Bieber verführt in einer Bar eine Minderjährige und du hast es, wie du schreibst, genau gesehen? Lass lieber die Finger davon.
Wenig problematisch scheint es zu sein, wenn du Fanfiction über einen Star schreibst, in der überhaupt nichts Negatives vorkommt. Justin Bieber gibt ein Konzert, alle sind total begeistert und am Ende lädt er eine Gruppe von Fans in ein schickes Restaurant an. Was könnte Mr. Bieber dagegen haben, dass du dir so eine Geschichte ausdenkst? Aber wer weiß, manche Stars sollen ja sehr empfindlich sein.
Was halten Autoren von Fanfiction zu ihren Büchern?
Man könnte meinen, dass auch Autoren eifersüchtig darüber wachen, dass niemand ihre Ideen und Figuren mopst. Aber in den meisten Fällen stimmt das nicht. Manche reden sogar sehr positiv über Fanfiction. So hat Joanne K. Rowling zum Beispiel mehrfach geäußert, dass sie Harry-Potter-Fanfiction gut finde.
Ein Gegenbeispiel ist Anne Rice, Autorin der „Chronik der Vampire“. Sie hat es ausdrücklich untersagt, Fanfiction zu publizieren. Die Filmgesellschaft Paramount Pictures ist sogar gerichtlich gegen Fanfiction zu „Star Trek“ vorgegangen.
Die meisten sehen in den Autoren von Fanfiction aber ihre eigenen Fans. Und die sorgen für Umsätze. Kaufen ihre Bücher. Sie sind ihre Zielgruppe. Warum sollten sie gegen sie ankämpfen, wenn sie von Fanfiction gar keinen Schaden haben?
Erfolgsbeispiele
Und so gibt es viele gelungene Fanfiction-Werke, die zahlreiche Leser gefunden haben. Dazu zählt etwa „Shades of Grey“. Denn dieser erotische Bestseller hat eine ganz andere Geschichte als Grundlage: die „Twilight Saga“ von Stephenie Meyer. Erst später hat die Autorin E. L. James dann unter anderem die Namen der Figuren geändert. Fand Frau Meyer gar nicht schlimm, denn Multimillionärin war sie ohnehin schon. Und so gönnte sie es ihrer Nachahmerin, auch eine zu werden.
Die wohl am meisten kopierte Geschichte: Harry-Potter
Viele Erzählungen haben Leser dazu angeregt, eigene Geschichten dazu zu schreiben. Da ist es kein Wunder, dass es auch viel Harry-Potter-Fanfiction gibt. Vielleicht gibt es kein anderes modernes Werk, das häufiger weitererzählt wurde. Die fantastische Welt, die sich Joanne K. Rowling ausgedacht hat, lädt geradezu ein, etwas dazu zu erfinden. Auf dem Portal FanFiction.net gibt es zum Beispiel fast eine Million Geschichten mit Harry-Potter-Fanfiction. Manches an Harry-Potter-Fanfiction wurde als Buch herausgebracht. Meistens entschieden sich die Autoren dabei fürs Selfpublishing.
Frühere Beispiele für Fanfiction
Das Wort „Fanfiction“ ist genauso aus der heutigen Zeit wie die Harry-Potter-Reihe. Man denkt an Leser, die eine Erzählung und ihre Figuren lieben. Als wären sie ihre eigene Familie. Die sich vielleicht sogar manchmal wie sie anziehen, also Cosplay machen. Aber Menschen haben vermutlich Geschichten weitererzählt, seit es überhaupt Geschichten gibt. Jemand dachte sich am Feuer eine aus und sie war gut. Zuhörerinnen, die noch kaum richtige Kleidung anhatten, erfanden etwas dazu. Erzählten sie an einem anderen Feuer weiter.
Wenn man Fanfiction so versteht, dann enthält das meistverkaufte Buch der Weltgeschichte auch welche: die Bibel. Denn was anderes als religiöse Fanfiction sind die vier Evangelien? Sie erzählen alle die gleichen Geschichten von Jesus. Auch Goethe hat Fanfiction geschrieben, als er sich an seinen „Faust“ machte. Denn es gab viele ältere Geschichten um den wissbegierigen Faust und den Teufel Mephisto, der ihn verführt.
Training für eigene Geschichten
Wenn du also Goethe und „Shades of Grey“ folgen möchtest, schreibe doch auch ein Buch mit Fanfiction. Das Veröffentlichen bleibt rechtlich aber eine Sache im Graubereich. Vielleicht möchtest du daher Problemen komplett aus dem Weg gehen. Das ist möglich. Denn solange du deine Fanfiction nur im engsten Freundeskreis und in der Familie teilst, kann dir niemand etwas anhaben. Dann hast du sie nämlich nicht veröffentlicht.
Oder du betrachtest deine Fanfiction als interessanten Einstieg ins Schreiben und als Übung. Immerhin brauchst du dich um vieles nicht mehr zu kümmern. Eine Welt, Orte und Figuren gibt es schon. Die Handlung ist auch schon angelegt. Das Buch, zu dem du die Fanfiction schreibst, regt deine Fantasie an.
So kannst du in aller Ruhe mit deiner Lieblingsgeschichte Erfahrungen beim Schreiben sammeln. Und irgendwann möchtest du dann vielleicht lieber ganz eigene Geschichten und Welten entwickeln. Dann brauchst du dir um das Urheberrecht keine Sorgen mehr zu machen. Vielleicht möchte ja sogar mal jemand Fanfiction zu dem Buch schreiben, das du veröffentlicht hast. Und dann wirst du selbst vor der Entscheidung stehen, ob du etwas dagegen hast. Oder ob du das locker siehst. Wie Joanne K. Rowling mit Harry-Potter-Fanfiction.
Fazit
Geschichten anderer Autoren weiterzuschreiben oder als Grundlage des eigenen Buches zu nehmen, ist äußerst beliebt – rechtlich allerdings sehr heikel. Wer nicht gegen das Urheberrecht verstoßen möchte, sollte entweder Verlag oder Autor des betreffenden Werkes um Erlaubnis fragen – oder Fanfiction nur für das eigene Vergnügen bzw. das des privaten Umfelds schreiben und die Texte nicht veröffentlichen. In jedem Fall aber kann Dir Fanfiction als Schreibtraining helfen und dich zu eigenen Geschichten inspirieren.