Was ist ein Charakterbogen?
Der Begriff stammt aus der Welt der Pen & Paper Rollenspiele. Solche Rollenspiele bewegen sich thematisch meist im Fantasy- oder Science Fiction-Bereich. Dabei nimmt jeder Spielteilnehmer die Rolle eines bestimmten Charakters ein. Auf sogenannten Charakterbögen sind die wesentlichen Eigenschaften der einzelnen Charaktere aufgeführt.
Unter Romanautoren hat sich der Charakterbogen etabliert, um die eigenen Figuren zu planen und für sich selbst anschaulich zu machen. Es sollen nicht alle Informationen in den Roman einfließen, sondern sie helfen eher dem Autor, um die Figuren kennenzulernen und sie authentisch darzustellen. Dabei geht es nicht nur um Aussehen, die wichtigsten Charakterzüge und Marotten, sondern auch die Erlebnisse aus der Kindheit.
Wenn du dir genau überlegst, was deine Figur ausmacht und welche Lebensgeschichte sie zu der Persönlichkeit gemacht hat, die sie ist, wird sie vor deinem inneren Auge lebendig. Das erleichtert es dir, sie in der Geschichte zum Leben zu erwecken. Außerdem behältst du mit den Charakterbögen einen Überblick über die Figuren und ihre Eigenarten.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Charaktere auszubauen. Eine davon ist die Schneeflockenmethode. Auch kann es helfen, Interviews mit deinen Protagonisten zu führen oder sie einer Situation auszusetzen und zu beobachten, wie sie damit umgehen. Als ergänzender Schritt kann dir aber in jedem Fall ein Charakterbogen helfen.
Brauche ich unbedingt einen Charakterbogen?
Angenommen du sitzt an einem mehrere Hundert Seiten umfassenden Fantasy-Roman. Wie viele Figuren werden darin vorkommen? Vielleicht zehn Hauptfiguren und darüber hinaus unzählige Nebenfiguren, die teilweise nur kurz auftreten, aber für den Handlungsverlauf notwendig sind. Um einen Überblick über die Charaktere und ihre Motive zu behalten, schadet es nicht, Charakterbögen für sie anzulegen. Auch in Romanen, in denen weniger Figuren angelegt sind, müssen sie glaubhaft und ihren Werten entsprechend handeln. Um diese nicht aus den Augen zu verlieren, helfen dir Charakterbögen.
Beispiel: Angenommen einer deiner Protagonisten ist ein temperamentvoller und unberechenbarer Kämpfer. Dann solltest du das eher stürmisch-unbeherrschte Wesen der Figur ebenso wie seine Statur und Muskelkraft genau kennen. Weshalb ist sie so impulsiv? Welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden? Was will sie erreichen? All das kannst du auf dem Charakterbogen festhalten. So vermeidest du auch, die Figur innerhalb des Romans unterschiedlich zu beschreiben und deine Leser mit unlogischen Passagen zu enttäuschen.
Genauso wie du deinen Handlungsverlauf beispielsweise mit dem Spannungsbogen planen solltest, um den roten Faden nicht zu verlieren, kannst du auch deine Figuren vorab grob festlegen.
Wann sollte ich den Charakterbogen ausfüllen?
Du musst nicht bereits vor dem Schreiben alles über deine Figuren wissen. Vieles zeigt sich erst, wenn der Protagonist in der Geschichte steckt und sich mit ihr und deinen neuen Ideen weiterentwickelt. Deshalb empfiehlt es sich, den Charakterbogen parallel zum Schreiben des Romans nach und nach auszufüllen und zu ergänzen. Zwar schadet es nicht, dir vorab einige äußere Merkmale und Eigenschaften zu notieren, aber nimm dir die Freiheit, die Wesenszüge während des Schreibens neu durchzudenken, zu verändern und an den Handlungsverlauf anzupassen.
Welche Informationen sollte der Charakterbogen enthalten?
Vom Aussehen über die Persönlichkeit bis hin zur Lebensgeschichte kannst du alles in den Charakterbogen schreiben, das dir hilft, deine Figur besser kennenzulernen und sie zum Leben zu erwecken. Vergiss nicht, ihre Entwicklung im Laufe des Romans zu notieren, um dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Unten findest du ein Beispiel für einen Charakterbogen, den du beliebig ergänzen oder abwandeln kannst.
Daten und Fakten
- Name
- Alter, Geburtsdatum
- Geschlecht
- Wohnort
- Beruf
- Familienstand
Aussehen und körperliche Eigenschaften
- Augen- und Haarfarbe, Frisur
- Größe und Gewicht
- Statur und Körperbau, Körperhaltung
- Genaue Beschreibung von Gesicht und Mimik
- Gestik
- Stimme und Tonalität
- Kleidungsstil
- Körperliche Gesundheit, Krankheiten
Persönlichkeit und innere Eigenschaften
- Innere Haltung und Moral
- Lebenseinstellung (optimistisch, pessimistisch, sozial, kämpferisch, egoistisch etc.)
- Herausragende positive und negative Eigenschaften (vorausschauend, fröhlich, willensstark, wankelmütig, cholerisch etc.)
- Intelligenz
- Wünsche und Bedürfnisse
- Angewohnheiten, wiederkehrende Verhaltensweisen in bestimmten Situationen
- Geschmäcker und Vorlieben
- Hobbys und Interessen
Persönliches und soziales Umfeld
- Familiärer Hintergrund und Erziehung
- Familienstand und Partner sowie frühere Lebenspartner, Liebesleben
- Freundeskreis
- Berufliches Umfeld
- Beziehung zu Partner, Familienangehörigen und Freunden sowie Kollegen
- Gesellschaftlicher Status
- Kindheit und Jugend
Rolle und Entwicklung der Figur im Roman
- Welche Aufgabe oder Berufung hat die Figur?
- Welche Rolle hat sie innerhalb des Handlungsverlaufs?
- Wie ist ihre Beziehung zu anderen Figuren?
- Wodurch wird die Figur beeinflusst?
- Wie entwickelt sich die Figur im Roman weiter? Positiv oder negativ? Persönliche Entfaltung oder Scheitern?
- Wie beeinflusst die Figur die Geschichte?
- Wer ist ihr wohlgesonnen? Wer ist ihr Kontrahent?
Einen Charakterbogen zum Download mit weiteren Ideen findest du auf dem Blog schriftsteller-werden.de. Auch bieten einige Autorensoftwares eine Figurendatenbank an, in der du die notwendigen Details hinterlegen kannst.
Fazit
Je mehr Figuren in einem Roman vorkommen, desto hilfreicher und wertvoller ist die Arbeit mit Charakterbögen. Aber auch in einem Liebesroman oder Krimi, kannst du damit die Figuren besser kennenlernen und sie authentisch und spannend gestalten. Ergänze den Charakterbogen während des Schreibens und scheue dich nicht davor, Eigenschaften zu streichen, die nicht mehr passen. Aber: Halte dich nicht zu lange mit Planungen und Vorüberlegungen auf. Vieles entwickelt sich erst, wenn du anfängst zu schreiben.